10.10.2018
Auf Tuchfühlung mit dem 3D-Drucker beim Robotik-Workshop der TU Dortmund
Auf Einladung der KARL-KOLLE-Stiftung nahmen Technik-Experten aus aktiven Roboter AGs von Schulen aus Lüdinghausen, Selm, Olfen, Nordkirchen und Werne mit ihren Lehrern am 3D-Druck-Workshop am Institut für Umformtechnik und Leichtbau (IUL) der Technischen Universität Dortmund teil. – Bild: Wittland
Zwanzig Schüler aus Selm, Olfen, Nordkirchen, Werne und Lüdinghausen haben am Montag an einem 3D-Druck-Workshop an der Technischen Universität (TU) Dortmund teilgenommen. Eingebracht haben ihnen das Roboter. Denn die Schüler haben alle eins gemeinsam: Sie sind technikbegeistert. Sonst würden sie wohl kaum freiwillig an Robotik-AGs ihrer Schulen teilnehmen – nach dem Unterricht.
Diese Begeisterung ist heute eine Seltenheit, zumindest nach Ansicht von Prof. Dr. Winfried Pinninghoff, Kurator der Karl-Kolle-Stiftung: „In unserer Gesellschaft wird viel zu wenig Wert darauf gelegt, bei Kindern das technische Interesse zu wecken. Das gilt gerade für die Schulen. Dabei habe ich das Gefühl, dass die Schüler sich grundsätzlich für alles interessieren, was man anfassen kann.“
Die Stiftung, die Pinninghoffs Onkel, der 2008 verstorbene Karl Kolle, ins Leben gerufen hat, fördert unter anderem Technik-Projekte an Schulen, schult Lehrer und finanziert Geräte und Material. 2014 startete sie ihr MINT-Projekt. Dabei unterstützt die Stiftung Mathematik-, Informatik-, Naturwissenschaft- und Technik-Projekte in allen Schulformen.
Auch den 3D-Druck-Workshop am Montag organisierte sie in Zusammenarbeit mit dem Institut für Umformtechnik und Leichtbau der Technischen Universität (TU) Dortmund. „Wir wollen Kinder für Technik-Berufe begeistern, aber auch Talente entdecken und fördern“, sagt Pinninghoff.
Eben solche Talente sind die zwanzig Schüler zwischen 13 und 14 Jahren, die gemeinsam mit ihren Lehrern an die Universität nach Dortmund gekommen sind. Sie lernen am Montag einen Star in der Fertigungstechnik genauer kennen: Den 3D-Drucker. Zu den konventionellen Fertigungsverfahren wie Gießen, Fügen, Spannen und Umformen ist die additive Fertigung, wie die 3D-Druck-Technologie auch genannt wird, ergänzend hinzugekommen.
Ein 3D-Drucker ermöglicht, wie der Name schon sagt, dreidimensionales Drucken. Anders als bei herkömmlichen Druckern ist hier nicht Tinte der Werkstoff, sondern typischerweise Kunststoff oder Metall. Dieser wird von einem Laser erhitzt und von einer sich bewegenden Düse Punkt für Punkt und Schicht für Schicht auf einer Platte aufgetragen. Im Grunde funktioniert die Düse wie eine Art Heißklebepistole. Auf die ausgekühlte Schicht, setzt sie viele neue Punkte, die eine weitere Schicht bilden. So entsteht nach und nach eine Form, die in die Höhe wächst. Im Workshop produzieren die Schüler ihre eigenen Einkaufs-Chips, für die sie zuvor am Computer 3D-Modelle entwerfen. Die notwendige Software dafür gibt es mittlerweile kostenlos im Internet. Was zuerst einmal ziemlich voraussetzungsvoll klingt, geht dann doch erstaunlich leicht.
Gruppenfoto vom Besuch in Dortmund. – Bild: Wittland
Per Drag and Drop lassen sich Formen aufeinander ziehen. Je nach Wunsch können die Schüler dann eine Form zu der anderen hinzufügen oder von ihr abziehen, sodass entweder Wölbungen nach außen oder Aussparungen entstehen. Die Modell-Datei senden sie an die 3D-Drucker in der Fertigungshalle. Die beginnen die Chips mit den individuellen Schriftzügen und Mustern zu drucken. Hier zeigt sich ein Vorteil des 3D-Drucks: Einzelteile lassen sich passgenau entwerfen und mit relativ wenig Aufwand produzieren. Deshalb ist das Verfahren gerade für die Medizintechnik ein Gewinn: Auf den Patienten angepasste Zahnprothesen beispielsweise können so kostengünstig hergestellt werden. Auch in Kunst und Design findet die additive Fertigung Anwendung.
Aber es offenbart sich auch ein entscheidender Nachteil: Die Fertigungsdauer. Während die Chips gedruckt werden, haben die Schüler genug Zeit, sich den großen Metall-3D-Drucker in der Fertigungshalle anzusehen und ausgiebig in der Mensa zu essen. Für sieben Einkaufschips braucht der Drucker etwas mehr als eine Stunde.
„Das ist unter anderem ein Grund, warum das Verfahren kein Ersatz für bestehende Fertigungsverfahren ist, sondem eine Alternative zu den herkömmlichen“, sagt Prof. Dr. Dr. A. Erman Tekkaya, Leiter des Instituts für Umformtechnik und Leichtbau (ILU) an der TU Dortmund. Autos aus dem 3D-Drucker seien heute schon theoretisch möglich.
„Das aber praktisch wirklich umzusetzen, ist hingegen totaler Unsinn. Es ist viel teurer, dauert unglaublich lange und benötigt viel mehr Energie", erklärt Tekkaya. Eine tolle ergänzende Technologie, die ganz neue Möglichkeiten mit sich bringe, sei es trotzdem. Mit Hilfe additiver Technologien lassen sich erstmals Bauteile fertigen, deren Struktur dem Inneren unserer Knochen ähnelt. Sie sind so gleichermaßen leicht und belastbar. Das bringt ganz neue Möglichkeiten beim Bau von Maschinen mit sich.
Besichtigung im IUL: Auch Metall lässt sich mittels der 3D-Druck-Technologie verarbeiten. – Bild: Wittland
„Mit Workshops wie diesem wollen wir den Schülern die Augen dafür öffnen, was es Cooles gibt und unseren Bereich begreifbar machen“, sagt Tekkaya. Der Professor ist eine Koryphäe im Gebiet der Fertigungstechnik und setzt sich seit Jahren unter anderem in der Kinderuni der TU dafür ein, Schüler für technische Berufe oder ein technisches Studium zu begeistern.
Nicht nur der universitäre Bereich, sondern auch die Industrie sucht dringend Arbeitskräfte. Der MINT-Frühjahrsbericht 2018, der im Mai vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln veröffentlicht wurde, zeigt einen hohen Bedarf. Im April 2018 gab es deutschlandweit etwa 480.600 offene Stellen im Bereich der MINT-Berufe. Diese Arbeitskräftenachfrage wäre selbst mit dem potentiellen Arbeitskräfteangebot von 174.955 Arbeitsuchenden in den MINT-Berufen nicht zu decken.
Allerdings ist dabei auch zu bedenken, dass es im MINT-Bereich verschiedene Berufe mit unterschiedlichen Anforderungsniveaus gibt. Eine in einem Biologieberuf arbeitslos gemeldete Person, kann in der Regel keine offene Stelle in einem Ingenieurberuf der Maschinen- und Fahrzeugtechnik besetzen.
Die Studie macht auch in Nordrhein-Westfalen einen manifesten Engpass bei MINT-Fachkräften (in der Regel Ausbildungsberufe) aus. Auf 55.200 offene Stellen kommen 29.903 Arbeitslose. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Spezialistentätigkeiten (in der Regel Meister und Techniker) und den Expertentätigkeiten (in der Regel Akademiker). Dort kommen auf 16.100 offene Stellen 6373 Arbeitslose, beziehungsweise auf 26.100 offene Stellen 8783 Arbeitslose. Insgesamt fehlen in NRW im MINT-Bereich 97.300 Arbeitskräfte.
„Technologie-Unternehmen sind die Schlagader der deutschen Wirtschaft und entscheidend für Deutschlands Wohlstand mitverantwortlich“, sagt Tekkaya. „Noch sind wir das Land der Maschinenbauer. Doch wir haben harte Konkurrenz. Viele Firmen aus den Bereichen der Solar- und Stahlindustrie, in denen Deutschland immer stark war, werden beispielsweise nach Asien verkauft.“
Die Absolventenzahlen an den Universitäten sind im MINT-Bereich in den letzten Jahren angestiegen. Bei den MINT-Absolventen ist Deutschland an der Spitze der OECD-Staaten. Um den Bedarf zu decken, müssten die Zahlen aber noch weiter erhöht werden, heißt es in der IW-Studie.
„Technische Berufe verkümmern lassen, das geht nicht!“, meint Pinninghoff dazu. Man müsse Jugendliche mehr für Technik-Berufe begeistern und auch klar kommunizieren.
Linus Bockstede kann sich durchaus vorstellen später mal technisch zu arbeiten. „Ich will gerne mal etwas mit Robotern machen. Es hilft bestimmt, sich jetzt schon mal damit auseinander zu setzen und etwas auszuprobieren“, sagt der Neunt-klässler der Johann-Conrad-Schlaun-Gesamtschule Nordkirchen mit Blick auf die Robotik-AG in seiner Schule.
Beim Auseinandersetzen mit und dem Ausprobieren von Technik sehen sich die Schüler aber oftmals schon mit banalen Hürden konfrontiert. „Bei uns in der Schule funktioniert seit Wochen das WLAN nicht“, bemängelt Linus Mitschüler David Bena.
Die schlechte Ausrüstung der Schulen kritisiert auch Horst Josten. 35 Jahre lang hat er selbst Technik unterrichtet und Technik-Lehrer ausgebildet. Mittlerweile ist er Bezirksvorstand des Lehrerverbands Lehrer.NRW im Regierungsbezirk Arnsberg und ist dort auch Personalratsvorsitzender für die Realschulen.
„In den meisten Schulen stammt die Ausstattung des Technikunterrichts leider aus der Steinzeit. Die Anpassung an neue Technologien dauert extrem lange“, sagt Josten. „Dabei ist das Interesse der Schüler ja grundsätzlich da. Ihre Erwartungen werden dann aber enttäuscht, wenn ihnen antiquierte Geräte vorgesetzt werden.“ Natürlich gebe es Ausnahmen. Manche Schulen seien exzellent ausgestattet. Der Regelfall sehe aber anders aus, so Josten.
Die Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft kommt zu dem Schluss. Die IT-Ausstattung alleine reiche nicht. Unterrichtskonzepte für den Einsatz digitaler Medien sowie eine umfassende Ausweitung der Lehrer Aus- und Fortbildung im Bereich „digitale Bildung“ seien notwendig. Lehrer müssten Schüler über die Risiken digitaler Medien und Technologien aufklären.
Neuntklässler Kevin Werchau vom Gymnasium Selm findet, man solle Technik immer kritisch hinterfragen: „Es gibt bei der Technologie immer zwei Seiten. Wenn ein Algorithmus Nachrichten für mich filtert, ist das natürlich erst mal praktisch. Bekomme ich aber auf einmal nur noch bestimmte Informationen und kriege das gar nicht mit, ist das natürlich schlecht.“ Das könne dann ja auch Wahlen beeinflussen, meint er.
„Ich finde aber, das Schöne an der Technik ist, dass man etwas schaffen, etwas mitbewirken kann. Einem Jungen haben sie beispielsweise mit einem 3D-Drucker eine Armprothese gedruckt, mit der er jetzt Gitarre spielen kann. Das ist doch unglaublich. Wenn man sie richtig einsetzt, kann Technologie die Welt verbessern.“