Joseph and the amazing technicolor dreamcoat (1997)

Ein individuell gefärbter Bericht zu dem Projekt

Mitte November 1996 hing ein Plakat von dem Musical Joseph am schwarzen Brett, unter dem ein Zettel hing, auf dem stand, dass die Chance für unsere Schule bestünde bei dem Musical Joseph im Colosseum in Essen als Chor mitzuwirken.

Viele hatten diesen Zettel gelesen und ihren Eltern davon erzählt. Zum Glück mussten die Eltern nicht sofort entscheiden, denn diese Entscheidung wäre sehr wahrscheinlich gegen dieses Projekt gegangen. Es hatten sich für Dezember Andrea Pier und Oliver Ihrens von der Stella Musical Company bei uns angemeldet, um allen einen ersten Einblick in dieses Projekt zu geben. Nach diesem ersten Einblick hatten sich 43 Mädchen dazu entschlossen bei diesem Projekt mitzumachen. Auch die besonderen Umstände wie Auftritte in den Herbstferien und Rücksicht auf die Schule waren mit einkalkuliert. Trotzdem standen einige Eltern dem Projekt noch sehr skeptisch gegenüber. Diese Skepsis konnte ihnen aber bei einer Sitzung unter Eltern und Schülern genommen werden. Ein Hauptargument war, dass wir so eine Chance nie wieder bekommen würden und dass es wichtige Erfahrungen für uns werden konnten. Nach diesem Abend stand es endlich fest, das Städtische Gymnasium Selm würde bei dem Projekt Joseph mitmachen.

Dann lag eine lange Zeit vor uns, bevor dann endlich der Vorhang zum erstenmal vor uns hochgehen sollte. Die sechzehn Proben waren in fünf Gesangsproben, die im Musikraum unserer Schule stattfanden, in acht Proben auf der Probebühne des Colosseums, in zwei Proben auf der richtigen Bühne und in eine Generalprobe eingeteilt. Schon bei der ersten Gesangsprobe hatte Christian, unser „Dirigent“, seine ersten Probleme mit uns, denn es fand sich keiner bereit freiwillig die Altstimme zu übernehmen. Also versuchte er, uns die Altstimme schmackhaft zu machen, indem er uns Teile aus der Sopranstimme vorsang. Das klang zwar nicht sehr gut, weil er ja ein Mann war und somit höchstens Tenor hätte singen können, doch er schaffte es trotzdem einige mit seinem grausigen Gesang zu überzeugen, doch lieber freiwillig die Altstimme zu übernehmen. Die folgenden Proben waren sehr abwechslungsreich. Am Anfang machte es mächtig Spaß, doch wenn man ein Lied immer wieder von Anfang singen muss, kann man doch den Spaß an der Sache verlieren. Aber wir haben uns nicht unterkriegen lassen. Dann kamen die ersten szenischen Proben in Essen. Wir hatten keine Probleme uns die Schritte zu merken, weil wir am Anfang des Stückes nur auf den Treppen sitzen sollten, aber wir haben früh damit angefangen, den Megamix, die Zusammenfassung der Geschichte am Ende der Show, zu erlernen. Und der bot einigen doch kleine Schwierigkeiten. Das einzig größere Problem, das viele hatten, war ein Publikum „anzustrahlen“, wo überhaupt kein Publikum war. Alles in allem haben wir die Proben aber gut gemeistert.

Die am 8.10.1997 stattfindende Generalprobe verlief sehr gut. Ein Darsteller, Eladio Pamaran, hatte sogar mit uns zusammen seine Generalprobe. Er hatte gerade die männliche Hauptrolle, die Rolle des Josephs, gelernt und er war sehr gut. Er war aber auch der einzige Darsteller, der sich in unsere Generalprobe „einmischte“. Die weibliche Hauptrolle, die Erzählerin, wurde von Dunja Siehl, der stellvertretenden Regisseurin und Choreographin, gespielt. Elke Welz-Janssen, unsere Kinderchor Choreographin, hat die Rolle einer Frau übernommen. Nach der Generalprobe war die Pharao-Pizza-Party, zu der eigentlich auch immer viele Darsteller kamen. Bei uns waren sie allerdings sehr schlecht vertreten. Es waren fünf von 39 Darstellern da, um mit uns gemeinsam zu feiern, u.a. der neue Joseph, Eladio Pamaran.

Von diesem Tag an waren es noch sechs Tage bis zur Premiere. Unser Chor hatte von den vier Chören als erster seine Premiere. Viele von uns waren schon vorher aufgeregt, andere begannen erst aufgeregt zu werden, als wir gemeinsam beim Gymnasium auf den Bus warteten. Der Bus war bis zu diesem Tag immer pünktlich gekommen, doch an diesem Tag kam er nicht. Wir dachten erst, wir hätten uns im Tag geirrt und hätten keine Premiere. Doch dann dachten wir, dass sich 44 Selmer Mädchen nicht irren konnten. Ein Fotograf von den Ruhr Nachrichten war auch schon da. Als Herr Meier kam, klärte sich alles auf. Einer der beiden Busse war kaputt und der andere musste noch einen anderen Chor, der vorher seinen letzte Probe hatte, nach Hause fahren. Er sollte aber bald eintreffen. Unser Betreuer, Michael Bluhm, drängte uns doch endlich einzusteigen, aber der Fotograf wollte unbedingt Fotos mit dem Joseph-Bus im Hintergrund machen. Die Premiere ist uns trotz Aufregung fehlerlos geglückt. Es gab an diesem Abend nur ein technisches Problem, die Schafe, die Mitte des ersten Aktes unser Stichwort waren, um uns wieder auf die Treppen zu setzen, konnten nicht im Kreis um den Joseph und uns herumgefahren werden. Die Darsteller wussten auch nichts von dem Problem, deshalb mussten wir Eigeninitiative ergreifen und dann gehen, wenn wir dachten, dass es richtig sei. Am Ende der Show genossen wir den Beifall. Am Anfang hatten viele Angst davor etwas falsch zu machen. Das Publikum konnte unsere Fehler zwar nicht unbedingt erkennen, es sei denn, jemand würde jeden Tag die Show sehen. Doch dann bemerkten einige, dass die Darsteller auch nur Menschen sind und auch Fehler machten. Von da an sahen wir das etwas lockerer.

Die folgenden 22 Shows waren relativ normal. Je nachdem, was man unter „normal“ versteht. Mal hatten wir ein super Publikum, mal ein miserables. Wir merkten schnell, dass die ganze Show fetziger wurde, wenn das Publikum mitmachte, wenn es Spaß daran hatte uns zu zusehen.

Vor unserer neunten Show wurde das Chorfoto gemacht. In dieser Show waren einige Lehrer und Lehrerinnen unserer Schule da, u.a. Herr Thrams und Frau Disselkamp (damals noch Frau Goßen). Weil wir nicht wussten, wo sie saßen, suchten wir sie im ersten Akt vergeblich im Publikum. Als wir am Anfang des zweiten Aktes alleine auf der Bühne saßen, sahen einige von uns ein paar Leute, die oben im Rang winkend und rufend standen. Es war klar, dass es nur unsere Lehrer und Lehrerinnen sein konnten. Was wir vergessen hatten ihnen zu sagen war, dass wir nicht zurückwinken durften. Wir sollten das Publikum gar nicht beachten. Mit der Zeit fanden wir es witzig, denn unsere Lehrer und Lehrerinnen wussten ja nicht, dass sie auf eine Reaktion von uns lange hätten warten können. Herr Thrams fuchtelte die ganze Zeit über mit seiner Taschenlampe herum und Frau Disselkamp wusste hinterher, wie sich unsere Arme anfühlten, wenn wir ganz am Ende der Show fünf Minuten und länger winken mussten. Doch dann fing unser Solo an und wir mussten unser Lachen unterdrücken. Am nächsten Schultag fragten dann einige Lehrer, warum wir denn nicht zurück gewunken hätten. Wir konnten ihnen dieses Problem nur erklären und hoffen, dass sie es verstanden.

Weil wir in Winterstaffel sangen, in der der große Castwechsel lag, durften wir die Generalprobe der neuen Darsteller am 11.12.1997 angucken. Es war eine Katastrophe. Vivian Michaelsen, die bis dahin die alternierende Erzählerin war, d.h. sie war die Zweitbesetzung, war ab dem 14.12.1997 die Erstbesetzung. Sie war total heiser und bekam kaum ein Wort heraus, deshalb lutschte sie auf der Bühne Hustenbonbons und sang sehr wenig, nur wenn es wirklich erforderlich war. Der neue alternierende Joseph, Uli Scherbel, war ein krasser Gegensatz zu Andreas Bieber, der eher wie ein 18-Jähriger wirkte als wie ein 33-jähriger Mann. Uli dagegen passte von der Stimme her nicht zu der Rolle, aber er spielte überzeugender. Nach der Generalprobe hatten wir abends unsere 17. Show. Somit mussten wir noch drei Stunden bis zum Showbeginn warten. Einige gingen zum Weihnachtsmarkt, wo sie auch Darsteller trafen, andere blieben im warmen Foyer. Der Rest, der Autogramme haben wollte, stand an der Stagedoor und fror.

Die letzte Show rückte unaufhaltsam näher. Dann war es soweit, am 4.1.1998 stiegen wir um 18 Uhr das letzte Mal am Gymnasium in den Joseph-Bus. Wir waren alle gespannt, wie viele Darsteller zu unserer Abschlussparty vor der Show kommen würden. Michael, unser Betreuer, erzählte uns auf der Fahrt, dass bei den anderen drei Chören, die mit uns zusammen die Winterstaffel gespielt haben, aber vor uns ihre letzte Show hatten, jeweils um die dreißig Darsteller da waren. Wir freuten uns total auf die Party. Nur wusste keiner, selbst Michael nicht, dass sich an diesem Abend ziemlich viele Darsteller krank gemeldet hatten, so dass eine ziemliche Hektik vor der Show herrschte. Deshalb kamen auch nur zehn Darsteller, die schon früher da waren als die anderen und somit schon geschminkt und frisiert waren. Wir waren ziemlich enttäuscht.

Doch dadurch kamen auch nicht mehr Darsteller zu uns. Als wir, wie vor jeder Show, im Foyer warteten, bis wir auf die Bühne durften, kam Vivian, aber statt wie jedes Mal jeden einzelnen zu begrüßen, umarmte sie jeden und bedankte sich für die schöne Zeit. Sie hatte aber noch ein Anliegen, eine aus unserem Chor hatte ein paar Shows vorher ein DIN-A2-großes Portrait von ihr, in einer Show über den Betreuer von ihr signieren lassen. Nun interessierte sie, wer dieses Portrait gezeichnet hatte, weil sie für ihre Wohnung ein Portrait von sich haben wollte. Es sollte aber ein Portrait von dem Foto aus dem neuen Programmheft, das es noch gar nicht zu kaufen gab, sein. Als ich dann sagte, dass ich es gezeichnet hatte, fragte sie mich, ob ich es schon hätte. Nachdem ich diese Frage verneint hatte, versprach Vivian mir, mir eines zu besorgen. In der Pause, nach dem 1. Akt, gab Michael mir dann das Programmheft von Vivian. Außerdem bekamen alle eine Urkunde, die Cast des Abends und das Gruppenfoto, das auf der Bühne gemacht worden war. Die Show verlief zum letzten Mal ohne Fehler von unserer Seite. Am Ende der Show riefen uns die Darsteller auf die Bühne und tanzten im Kreis um uns herum. Wir waren alle sehr traurig, weshalb einige Darsteller uns trösteten, bevor es dann zum Umziehen nach oben in die Umkleidekabinen ging. Vor der Stagedoor tröstete Uli dann noch mal einige von uns. Vivian bekam ihr Bild einige Wochen später und freute sich sehr darüber.

Ich habe tatsächlich einige wichtige Erfahrungen gesammelt, z.B. dass es ziemlich harte Arbeit sein kann, um so eine Show auf die Beine zu stellen, oder dass es sehr viele Leute braucht um große perfekte Dinge zu erschaffen. Aber auch, dass das alles auf der Bühne nicht immer perfekt ist, und dass selbst die kleinsten Fehler eines Darstellers die ganze Cast zum Lachen bringen kann. So eine Show erfordert aber auch großen Zusammenhalt. Ganz besonders wichtig ist die Eigeninitiative, die jeder mal ergreifen muss, wenn es ein technisches Problem gibt, wenn einer mal den Text nicht mehr weiß oder beim falschen Partner steht. Man darf das Publikum nicht merken lassen, dass man gerade einen Fehler gemacht hat oder dass irgendetwas auf der Bühne nicht stimmt. Ich würde so ein Angebot auf jeden Fall wieder annehmen!

Sabine Dettloff

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