27.01.2004
Wilnaer Ghetto: Zeitzeugin des Holocausts
„Mein Leben habe ich meiner Mutter zu verdanken“, sagte Tamar Dreifuß gestern in ihrer Lesung im Forum des Städtischen Gymnasiums Selm. Tamar Dreifuß ist Jüdin und Zeitzeugin des Holocausts. Nur mit Hilfe ihrer Mutter überlebte sie das Ghetto in Wilna und die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten.
Die Mutter von Tamar Dreifuß schrieb alle ihre Erlebnisse auf und verfasste ein Buch mit dem Namen „Wir waren auch in Ponar„“ und gewann 1978 in Israel den Preis zum besten Buch über den Holocaust. Tamar Dreifuß übersetzte es ins Deutsche und betreibt heute an deutschen Schulen Aufklärungsarbeit zum Thema Holocaust.
Bei der Lesung fesselte die 66-Jährige die Schüler mit der eindrucksvollen Schilderung über ihre verlorene Kindheit und über ihre Flucht vor den Nazis. Die Schüler nahmen die Geschichte von Tamar Dreifuß voller Interesse auf und zeigten sich nachdenklich. Die unvergesslichen Erlebnisse, wurden durch Gesang und Musik von Roswitha Dasch begleitet und anhand von aktuellen Bildern aus Wilna, die ihr Mannes Harry Zvi Dreifuß fotografiert hatte, verdeutlicht.
Mit dem Buch habe sie ihrer Mutter ein Denkmal setzen wollen, erzählte die Jüdin in einem Vorgespräch. Es koste jedes Mal viel Kraft, wenn sie daraus lese und mit Menschen über ihre Erlebnisse spreche. Daher brauche sie anschließend viel Erholung, um die Erinnerungen, die wieder wach würden, zu verarbeiten.
Tamar Dreifuß berichtete, dass das Buch „Wir waren auch in Ponar“ verfilmt worden sei und im Februar auf den Fimfestspielen in Berlin, der Berlinale, gezeigt wird.
Die Veranstaltung fand im Rahmen des Programms zum heutigen Holocaust-Gedenktag statt. Eine weitere Lesung hielt die Zeitzeugin am Abend in der alten Synagoge in Bork. Es schloss sich im Gymnasium ein Konzert mit jiddischer Musik an. Der Pianist Ulrich Raue und Roswitha Dasch präsentierten Lieder aus dem Wilnaer Ghetto.